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Die Weltbühne

 

Begründet von Siegfried Jacobsohn

Herausgeber: Kurt Tucholski

 

Redaktion: Berlin Charlottenburg 2

Kantstrasse 152

Fernsprecher: Steinplatz 8557

Westend 1943

 

Paris, den 4-10-27

 

Sehr geehrter Herr Wiegand,

 

ich finde, von einer Reise zurückgekehrt, Ihren freundlichen Brief vom 9. September vor, den ich nun so verspätet beantworte.

 

Herzlichen Dank für alle Ihre Hinweise - ich habe mir Aehn-lichest als ich den Artikel im Druck sah, auch gesagt. Hoffent-lich ist scharf genug herausgekommen, dass das, was ich gegen den "deutschen Menschen" gesagt habe, á propos Hesses gesagt worden ist - n i c h t gegen ihn. Dazu habe ich zu viel Achtung vor ihm - und ich weiss auch, dass er Selbstironie hat - wenn auch eine fast verzweifelte, ätzende, unglückliche. Ich weiss auch, dass es so furchtbar gefährlich ist, von Humor zu spre-chen, weil die Spiessigkeit nicht weit entfernt liegt – aber ich glaube, dass es ein Zeichen von Lebenskraft und von Menschen-kenntnis ist, manchmal die Zügel lass zu halten und eben zu     w i s s e n, dass es alles nicht so doll ist, hienieden. Und wer dann noch Ja sagt: der hat Humor. (In Deutschland sind solche Herren meistens Mitglieder der Schlaraffia).

 

Alles, was Sie Gutes für Hesse sagen, unterschreibe ich, seit ich in einer Schweizer Revue seine letzten Gedichte gelesen habe. Diese völlige Erneuerung, diese Jugendkraft, diese blut-volle Verzweiflung, die aus den Versen spricht - bravo! Der ist einer, der in diesem Alter so etwas schreibt.

 

Wegen Ihres Beitrages habe ich an Herrn von Ossietzky geschrie-ben, der jetzt die Redaktionsgeschäfte führt - schicken Sie doch wieder einmal etwas!

 

Ich freue mich immer, von Ihnen zu hören und bin mit den besten Empfehlungen

 

Ihr sehr ergebener

Tucholsky

 

 

(Kein Faksimile: Schriftbild fürs Internet geändert. HHP)

 

 

Quelle: HH Collection