Schaukelt im wehenden Föhnwind der Feigenbaum
Wieder wie Schlangen wirr die gewundenen Äste,
Steigt übers kahle Gebirg zu einsamen Feste
Vollmond empor und beseelt mit Schatten den Raum,
Spricht zwischen gleitenden Wolkenschiffen der Lichte
Träumerisch mit sich selber und zaubert die Nacht
Über dem Seetal still zum Seelenbild und Gedichte,
Daß mir im Herzen zuinnerst Musik erwacht,
Dann erhebt sich in drängender Sehnsucht die
Seele,
Fühlt sich jung und begehrt ins flutende Leben
zurück,
Kämpft mit dem Schicksal und ahnt, woran es ihr
fehle,
Summt sich Lieder und spielt mit dem Traume vom Glück,
möchte noch einmal beginnen, noch einmal der
fernen
Jugend heiße Gewalten beschwören ins kühlere
Heut,
Möchte wandern und werben und bis zu den Sternen
Dehnen der schweifenden Wünsche dunkles Geläut.
Zögernd schließ ich das Fenster, entzünde
das Licht,
Seh die weißglänzenden Kissen des Bettes
warten,
Weiß den Mond um die Welt und das wehende Wolkengedicht
Draußen lebendig im Föhn überm silbrigen
Garten,
Finde zurück mich langsam zu meinen gewohnten
Dingen,
Höre bis in den Schlaf das Lied meiner Jugend
klingen.
(1938)
***
Hermann Hesse's watercolor is entitled
"Föhn" 16. Septemberr 1926"
It is the September image of the "Hermann Hesse Kalender" for 1998.
© Suhrkamp Verlag, 1998
With the kind permission of © Heiner Hesse, Arcegno, 1997
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Posted on October 23, 1998 with Netscape
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