© HHP, 2003-09-30  GG

[Hermann Hesse "Föhn", 16 September 1929. © Hesse Erbengemeinschaft, 2003]


 
 


Gang am Abend

Spät auf staubiger Straße geh ich,
Mauerschatten fallen schräg,
Und durch Rebenranken seh ich
Mondlicht über Bach und Weg.

Lieder, die ich einst gesungen,
Stimm ich leise wieder an,
Ungezählter Wanderungen
Schatten kreuzen meine Bahn.

Wind und Schnee und Sonnenhitze
Vieler Jahre klingt mir nach,
Sommernacht und blaue Blitze,
Sturm und Reiseungemach.

Braun gebrannt und vollgesogen
Von der Fülle dieser Welt,
Fühl ich weiter mich gezogen,
Bis mein Pfad ins Dunkle fällt.

Hermann Hesse


 
 

Hermann Hesse: "Wanderung"
Band 444 der Bibliothek Suhrkamp, S. 22
© Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1977

Aquarell von Hermann Hesse
"Föhn - 26. September 1926"
© Hermann Hesse Erbengemeinsc
haft, 2003

All Rights Reserved