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Pressestimmen
2002/06/29



 

DAS GLÜCK
KANN EIN STILLER HAUCH SEIN
Hermann Hesse in einer Zeit,
als Raucher noch als Genießer betrachtet wurden
und nicht als Schadensmehrer des Gesundheitssystems.

VON KRISTIAN TEETZ
© Copyright: Neue Presse Hannover, 29.6.2002

Viel Glück” wünscht man dem Prüfling, „Glück auf“ gibt man den Bergleuten mit auf den Weg in den Schacht. In der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 1776 wurde als eines der „unveräußerlichen Rechte” der Menschen das Recht auf „das Streben nach Glück“ (pursuit of happiness) proklamiert. Aber was ist das Glück?

„Gute Geburt, gute Erziehung, gute Karriere, gute Ehe, Gedeihen in Haus und Familie, Ansehen bei den Leuten, voller Beutel, volle Truhen, an alles dieses wurde gedacht, wenn man ,Glück’ sagte, und ich tat es wie jedermann”, berichtet Hermann Hesse in seinen Gedanken über das Glück. Der Nobelpreisträger hat sich immer wieder gefragt, was sich hinter „der kurzen Silbe, die so schmelzend und lächelnd mit dem GL begann, im Ü so lachend ruhte und so kurz, und im CK so entschlossen und knapp endete” verbirgt. Und wer heute seine Antwort auf die alte Menschheitsfrage sucht, was Glück denn sei, dem helfen vielleicht Hesses Betrachtungen, die in dem Bändchen „Über das Glück” gesammelt sind. Aus den Essays, Gedichten oder Auszügen aus Romanen und Erzählungen wächst Stein für Stein ein Mosaik von Hesses Verständnis von Glück.

Volle Beute, gute Karriere und Ansehen bei den Leuten — schafft das alles wirklich Glück oder doch nur Sicherheit, Zufriedenheit, Genugsamkeit?
Hesse suchte das große Glück eher in den kleinen Freuden. Das Auge schärfen für die Schönheit der Natur sollen wir und vor allem öfter Ruhe walten lassen. „Die hohe Bewertung der Minute, die Eile, als wichtigste Ursache unserer Lebensform, ist ohne Zweifel der gefährlichste Feind der Freude ... ,Möglichst viel und möglichst schnell’ ist die Losung. Daraus folgt immer mehr Vergnügung und immer weniger Freude.” Was klingt wie Kritik an unserer Spaß- und Konsumgesellschaft, die sich jeden Wunsch möglichst schnell erfüllt, stammt aus dem Jahr 1899.

Wie modern dieser heute in Literaturkreisen manchmal schon vergessene Hesse dachte, das zeigen solche Texte. Dazu kommt Hesses verzaubernde Sprache, die uns durch seine Prosa und Lyrik fliegen lässt. Glücklich lesen wir über das Reisen, die Magie der Farben und über die Musik. Mit Freude fabuliert Hesse über Schmetterlinge, einen Tessiner Sommerabend und — Schüler aufgepasst — die Sommerferien. Glück heißt: Hesse lesen!

Hermann Hesse: „Über das Glück. Betrachtungen und Gedichte”. Suhrkamp, 268 S., ISBN 3-458-34107-2, 8,90 Euro.