© HHP 16 July 1998 GG
 
[Book cover Hermann Hesse Die Welt im Buch, Ffm 1998]
Erste Auflage 1998, Leinen, 815 S.
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1998
ISBN 351840454-7
Contents
 


 
 
"Schon die im ersten Band vorliegende, von Volker Michels herausgegebene und mustergültig kommentierte Sammlung präsentiert einen literarisch ganz ungewöhnlich gebildeten und erstaunlich belesenen jungen Mann.  Er verfügt über ein Kompendium von Kenntnissen, das man nicht für möglich halten sollte, aber auch eine Begabung für spezifisch 'kritische' Pointen, wie man sie durch ein 'abgeschlossenes Studium' kaum erwerben kann.  Kritische Geistesgegenwart mit einer immer wachen Darstellungslust, die sich auf die methodischen Marotten der akademischen Zunft nicht einläßt, sondern in einer stets angenehm lesbaren und gern ins Erzählerische verfallenden Sprache ihren Gegenstand angeht: das ist es, was die Lektüre dieser Arbeiten noch heute so reizvoll und unterhaltend macht.  Hesse und dem Herausgeber gelingt es, jene längst historisch  gewordene Ausdrucksweise der ersten Dekade des Jahrhunderts auf faszinierende Weise wieder zu vergegenwärtigen.  Zwei Vorzüge sind es, die immer für ihn sprechen: das unanfechtbare Wertgefühl für das Große, das Kanonische und Maßgebliche und ein grundsätzliches, unter Kritikern äußerst seltenes Wohlwollen für alle Schreibenden.  Hier ist Menschenliebe im Spiel, eine ganz elementare Humanität, die genau weiß, was der Autor tut, wenn er sein Werk, oder doch ein Gleiches seiner selbst, der Oeffentlichkeit auszuliefern wagt."   Hans Egon Holthusen in "Die Welt"


 
 
Dies ist der zweite von fünf Bänden, die den noch unbekanntesten Teil von Hesses Werk und den gewiß interessantesten Bereich des umfangreichen Nachlasses erschließen: seine nahezu dreitausend Besprechungen und Empfehlungen guter Bücher  Sie sind von der Jahrhundertwende bis wenige Monate vor seinem Tod in etwa sechzig verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen und bisher nur in knapper thematischer Auswahl in Buchform zusammengefaßt worden.  Nun veröffentlichen wir diese Beiträge erstmals komplett und in der Reihenfolge, wie sie von deutschen, schweizerischen, österreichischen Blättern (und 1935/36 auch in einer schwedischen Zeitschrift) publiziert wurden. 

Das Spektrum dessen, was Hesse in seinen Buchbesprechungen wahrgenommen hat und mit der ihm eigenen Prägnanz zu vermitteln verstand, ist außerordentlich vielseitig.  Nicht nur in seinem eigenen Gebiet, der Belletristik, ist sein Urteil und Witterungsvermögen von so kongenialer Treffsicherheit, daß er, wenn nicht als Entdecker, so doch als frühester Förderer vieler Autorenkollegen gelten kann, die inzwischen aus der Literaturgeschichte unseres Jahrhunderts nicht mehr fortzudenken sind.  Auch auf dem Gebiet der kulturhistorischen, philosophischen und psychoanalytischen Neuerscheinungen, der Publikationen über Musik und Malerei, er Jugend-, Märchen-, Sagen- und Reiseliteratur, der Vermittlung orientalischer und asiatischer Traditionen erweist sich Hesse als ein Entdecker von geradezu enzyklopädischer Belesenheit. 

Hinzu kommt, daß seine Rezensionen alles andere sind als trockene Sekundärliteratur.  Sie sind erzähltes Leben, ständiges Vergleichen eigener Erlebnisse mit den Erfahrungen anderer, ob es nun Zeitgenossen sind oder längst verstorbene und zu Unrecht vergessene Kollegen.  Auch als Kritiker bleibt Hesse das, was ihn als Dichter ausmacht.  "Das Positive zu sehen und zu betonen", schreibt er 1934 dem Psychoanalytiker C.G. Jung, "schien mir immer die Hauptaufgabe dessen, der zwischen Lesern und Büchern vermittelt.  Darum habe ich auch nur ganz wenige Male in meinem Leben öffentlich getadelt.  Ist nichts zu loben, so schweige ich."  Dieses Kriterium, lieber das Gute hervorzuheben, statt gegen das Schlechte zu polemisieren, bedeutet aber nicht, daß seine Empfehlungen unkritisch sind.  Denn immer sagt er genau, warum und worin sich das besprochene Buch positiv, ja antagonistisch, von dem unterscheidet, was gerade Konjunktur ist. 

Wenn sich durch Hesses Rezensionen ein roter Faden zieht, dann ist es seine Freude an der Mannigfaltigkeit, mit der sich die Welt in den unterschiedlichen Temperamenten der Künstler und in den verschiedenen historischen Epochen bricht.  Die Einheit der Welt und somit die Gemeinsamkeiten jenseits ihrer scheinbar so widersprüchlichen Erscheinungsformen kann ihm nicht vielfältig genug dargestellt werden.  Das bewahrt ihn vor wettbewerbsorientierten Vergleichen und dem Gegeneinander-Ausspielen der Künstler und ihrer Werke.  Dies alles macht Hesses kulturpolitische Schriften auch heute noch zu einer faszinierenden Lektüre und kaum weniger lesenswert als 1931, als Kurt Tucholsky schrieb" "Hesses Buchkritiken haben zur Zeit in Deutschland kein Gegenstück.  Aus jeder Buchkritik Hesses kann man etwas lernen, sehr viel sogar" - über das besprochene Werk ebenso wie über die konstruktive Poetik des Rezensenten. 

"Alles ist in einer einfachen, leicht eingängigen, jargonfreien Sprache verfaßt, bewußt im Gegensatz zur akademisch-wissenschaftlichen Rezensionspraxis.  Statt an eine Elite richten sich diese Kritiken an ein breites Publikum, sie sind didaktisch, volkstümlich und im besten Sinn aufklärerisch.  Man bekommt eine Vorstellung von der Buchproduktion zu Beginn unseres Jahrhunderts." (Egon Schwarz, FAZ)

 


Posted by GG on July 16, 1998 using Netscape settings
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