HHP-2015-12-24

 

 

 

 

 

 

Weihnachtsabend

 

Am dunklen Fenster stand ich lang

Und schaute auf die weiße Stadt

Und horchte auf den Glockenklang

Bis nun auch er versungen hat.

 

Nun blickt die stille reine Nacht

Traumhaft im kühlen Winterschein,

Vom bleichen Silbermond bewacht,

In meine Einsamkeit herein.

 

Weihnacht! - Ein riefes Heimweh schreit

Aus meiner Brust und denkt mit Gram

An jene ferne stille Zeit,

Da auch für mich die Weihnacht kam.

 

Seither voll dunkler Leidenschaft

Lief ich auf Erden kreuz und quer

In ruheloser Wanderschaft

Nach Weisheit, Gold und Glück umher.

 

Nun rast ich müde und besiegt

An meines letzten Weges Saum,

Und in der blauen Ferne liegt

Heimat und Jugend wie ein Traum.

 

 

1902/03

 

 

 

Insel Taschenbuch 2418

ISBN 3-458-34118-8, 119 pp.